Next Generation Jazz – ein Fest für Gegenwart und Zukunft
Ein bewegter Abend im hr-Sendesaal – emotional wie musikalisch: Das Landesjugendjazzorchester (LJJO) Hessen feierte sein 40-jähriges Bestehen nicht nur mit einem Rückblick auf eine bewegte Geschichte, sondern vor allem mit einem mutigen Schritt nach vorn. „Next Generation Jazz“ war der Titel des Jubiläumskonzerts und dieser wurde zum klanglichen Programm. Denn was hier klang, war nichts weniger als der Aufbruch in ein neues Kapitel junger Jazzgeschichte.
Seit seiner Gründung im Jahr 1985 hat sich das LJJO Hessen zu einem Leuchtturmprojekt musikalischer Nachwuchsförderung entwickelt. Vier Formationen – zwei Bigbands und zwei Vokalensembles – bringen heute rund 80 Talente zwischen 12 und 27 Jahren zusammen. Der Abend im hr-Sendesaal stand exemplarisch für das, was das Orchester ausmacht: technische Brillanz, künstlerische Tiefe und eine Energie, die Grenzen sprengt.


Für das Jubiläum wurden mehrere Werke in Auftrag gegeben, deren Uraufführungen im Mittelpunkt des Abends standen. Verfasst wurden sie von Wegbegleitern und ehemaligen Mitgliedern wie Kira Linn und Finn Heine, die heute zu den aufregendsten Stimmen der jungen Jazzszene gehören.
Kira Linns Warped World erschütterte und faszinierte zugleich: eine klangliche Reflexion auf eine aus den Fugen geratene Welt, die sich durch dichte Flächen und clusterartige Harmonien in ein brodelndes Finale entlud. Besonders der Trap-inspirierte Abschnitt gegen Ende ließ Köpfe nicken und Herzen rasen – Jazz mit Relevanz, der den Zuhörenden etwas zumutet und genau dadurch berührt.
Finn Heine war gleich mit zwei Werken vertreten. A Letter to My Younger Self, gespielt von der Nachwuchsband Junior-Kicks, offenbarte eine melancholische Wärme – fast wie ein musikalischer Tagebucheintrag. Mit Dreams to Remember brachte Heine dann die Kicks & Sticks und Kicks-Voices ins Schwingen: melodisch eingängig, rhythmisch komplex, durchzogen von feinen Soli. Man spürte, hier schreibt jemand für die Bühne – und für die Musikerinnen und Musiker. Heines Credo, dass Musik in erster Linie Spaß machen müsse, übertrug sich vom ersten Takt an auf das Publikum.


Auch die Beiträge der weiteren Komponisten zeigten die stilistische Bandbreite des Orchesters. Besonders eindrucksvoll: Pestoholica von Max Weber, aktuell aktives Mitglied im LJJO, dessen komplexes Klangbild augenzwinkernd mit kulinarischem Charme spielte. In Ed Partykas kraftvoller Bigband-Fassung wurde das Stück zu einem Ohrenschmaus voller Raffinesse – ein Paradebeispiel für moderne Bigbandkunst. Jan Wessels‘ Unite and Thrive wiederum war ein funky Manifest der Gemeinschaft, mitreißend interpretiert von Junior-Kicks und Junior-Voices. Die Begeisterung war spürbar, der Funke sprang sofort über.
Dass dieses Konzert mehr als ein Jubiläum war, bewies nicht nur der lange Applaus mit Standing Ovations für alle Formationen. Es war ein Abend, der zeigte wie lebendig, relevant und berührend Bigband-Jazz sein kann, besonders wenn er mit Hingabe, Verstand und jugendlicher Wucht gespielt wird. Die musikalische Zukunft Hessens hat an diesem Abend nicht nur einen Sound bekommen, sondern auch ein Gesicht – oder besser: viele Gesichter.
Und wer genau hinhörte, hörte zwischen Saxofonen, Stimmen und Soli auch den Geist von 1985 mitschwingen – als alles begann, mit einer Idee und einem Takt.

